Winterreifen im Sommer – so wirkt sich die saisonale Bereifung aus.
Sommerreifen im Winter? Dass das nicht in Ordnung ist und bei winterlichen Straßenbedingungen aufgrund der situativen Winterreifenpflicht auch verboten, sollten Autofahrer sowie Flottenmanager auf dem Schirm haben. Doch wie sieht es eigentlich umgekehrt aus, können Ihre Flottenfahrzeuge mit Winterreifen im Sommer fahren? Die kurze Antwort: Erlaubt ist es zwar, aber keinesfalls empfehlenswert, da die Fahreigenschaften merklich beeinträchtigt werden. Die ausführliche Antwort geben wir Ihnen im Folgenden.
Unterschiede zwischen Sommer- und Winterreifen.
Das Wichtigste vorab: Ob es sich bei einem Modell in Ihrem Fuhrpark um einen Winter- oder Sommerreifen handelt, beziehungsweise ob es für den Einsatz bei winterlichen Verhältnissen zugelassen ist, lesen Sie einfach von der Seitenwand des Reifens ab. Ist hier das Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) erkennbar, erfüllt das Modell nach § 36 StVZO die situative Winterreifenpflicht in Deutschland – Mindestprofiltiefe vorausgesetzt, versteht sich. Diese beträgt für alle Reifenarten während des gesamten Jahres einheitlich 1,6 mm, jedoch empfiehlt der ADAC deutlich höhere Werte (s. u.). Reifen mit der M+S-Kennzeichnung gelten hierzulande noch bis zum 30.09.24 als wintertauglich, sofern sie bis zum 31.12.17 produziert wurden.
Bevor es an den Vergleich der einzelnen Reifenarten in verschiedenen Szenarien geht, gilt es zunächst, ihre Eigenschaften im Detail kennenzulernen. Sommer-, Winter- und Allwetterreifen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihres Profils und ihrer Gummimischung.
Profile im Vergleich:
- Sommerreifen verfügen über ein eher grobes Profil mit vielen Profileinschnitten. Mithilfe ihrer breiten Längsrillen und speziellen Profilblöcke sind die Pneus in der Lage, viel Wasser von der Straße abzuleiten. Damit sind die sommerlichen Reifen keineswegs reine „Schönwetterreifen“, sondern auch hervorragend für regnerische Tage geeignet – aber eben nicht für Temperaturen nahe des Gefrierpunkts.
Vom ADAC empfohlene Mindestprofiltiefe: 3 mm - Winterreifen verfügen über viele kleinere Profilblöcke, insbesondere die länglichen Einschnitte fallen deutlich schmaler aus als bei ihren sommerlichen Pendants oder sind miteinander verzahnt. Vor allem verfügen sie jedoch über feine Lamellen, die sich in Wellen über die kleinen Blöcke ziehen. Diese erhöhen den Grip auf Schnee und glatten Flächen erheblich und sorgen so für mehr Sicherheit.
Vom ADAC empfohlene Mindestprofiltiefe: 4 mm - Sogenannte Allwetter- oder Ganzjahresreifen vereinen die Eigenschaften der obenstehenden Reifenarten, müssen allerdings Abstriche bei der Performance in deren jeweiligem „Spezialgebiet“ hinnehmen – es bleibt ein Kompromiss. Die Lamellen erstrecken sich bei Ganzjahresreifen in der Regel nur über die mittleren Blöcke der Lauffläche, die danebenliegenden Reifenschultern verfügen meist nicht darüber. Das reduziert beispielsweise den Grip in Kurven auf glatten und verschneiten Straßen.
Vom ADAC empfohlene Mindestprofiltiefe: 4 mm
Unterschiede bei der Gummimischung:
- Sommerreifen bestehen aus einer härteren Gummimischung, sodass sie auch bei hohen Temperaturen nicht zu weich werden und die Reifen ihre Haftung bewahren. Bei sommerlichem Wetter ist der Bremsweg kurz, das Fahrverhalten ansprechend und der Verschleiß gering.
- Winterreifen weisen im Gegensatz dazu eine weichere Gummimischung auf, die über einen höheren Kautschuk- und Silica-Anteil verfügt. Die Erhärtung von Gummi bei niedrigen Temperaturen ist hierbei einkalkuliert und das weichere Gummi gewährleistet eine größere Kontaktfläche mit dem Untergrund – im Winter essenziell, im Sommer hinderlich.
- Wie beim Profil kombinieren Allwetterreifen auch bei der Gummimischung die Vorzüge der beiden Saisonreifen, ohne an deren „Expertise“ heranzureichen. Im Gegensatz zu Sommerreifen verfügen Ganzjahresreifen über eine weichere Gummimischung, die zu höherem Verschleiß führt. Die Reifen sind von mittlerer Härte und liefern sommers wie winters passable Ergebnisse.
Sommer- und Winterreifen unterscheiden sich also deutlich voneinander und sind auf ihre jeweiligen „Fachgebiete“ zugeschnitten. Wie wichtig die verschiedenen Eigenschaften tatsächlich sind, zeigt eine Gegenüberstellung der Reifenperformance auf unterschiedlichen Fahrbahnverhältnissen.
Winterreifen im Sommer – Auswirkungen falscher Bereifung.
Dass der Einsatz von Sommerreifen im Winter ein echtes Risiko darstellt, ist hinlänglich bekannt und bei entsprechenden Witterungsverhältnissen verboten – mit gutem Grund. Liegt Schnee oder sind die Fahrbahnen glatt, bietet das sommerliche Profil nicht ausreichend Grip. Räder drehen durch, Fahrzeuge geraten ins Schleudern und Bremswege werden gefährlich lang. In derlei Situationen bringt kein verantwortungsvoller Fuhrparkmanager seine Fahrer freiwillig. Und auch die Kaskoversicherung sieht sich bei Verstößen gegen die situative Winterreifenpflicht möglicherweise nicht in der Pflicht, die entstandenen Schäden zu regulieren.
Doch wie sieht es eigentlich umgekehrt aus – was passiert, wenn Sie beziehungsweise Ihre Fahrer im Sommer mit Winterreifen fahren? Ein vergleichender Blick auf Bremswege, Performance und Verschleiß zeigt: Auch im Sommer lohnt sich der Einsatz spezieller, saisonaler Reifen.
Übrigens: Eine Sommerreifenpflicht existiert in Deutschland nicht, für den Gebrauch von Winterreifen im Sommer gibt es also kein Bußgeld. Im Ausland kann das jedoch anders aussehen, beispielsweise in Italien.
Safety first: Bremsweg von Winterreifen im Sommer.
Grundsätzlich scheint der Einsatz von Winterreifen während des Sommers im Fuhrpark wenig problematisch. Dabei haben die Reifen unter anderem erheblichen Einfluss auf den Bremsweg, der sowohl mit Winter- als auch Allwetterreifen ungleich länger wird. Wie stark die Unterschiede ausfallen, zeigen Messungen von Continental. Bei allen Tests lag die Geschwindigkeit des Fahrzeugs bei 100 km/h und die Temperatur bei über 15 °C.
Bremsweg bei trockener Fahrbahn | Bremsweg bei nasser Fahrbahn | |
---|---|---|
Sommerreifen | 36,6 m | 51,3 m |
Ganzjahresreifen | 41,9 m | 54,9 m |
Winterreifen | 44,1 m | 57,3 m |
Mit einer Differenz von 7,5 m beziehungsweise 6,0 m kommt das Auto mit den Sommerreifen im Vergleich zu den Winterreifen in beiden Szenarien deutlich früher zum Stehen – Distanzen, die im Ernstfall auch in der warmen Jahreszeit zwischen einem bloßen Schreckmoment und einem Aufprall entscheiden können. Noch größere Unterschiede misst der ADAC in einem ähnlichen Vergleich. Hier legten Fahrzeuge auf Winterreifen mit besonders hohem Profil trotz Vollbremsung bis zu 16 m mehr zurück.
Hinweis: Gerade wenn die Winterreifen die empfohlene Profiltiefe von 4 mm knapp unterschreiten, kann die Versuchung groß sein, die Reifen bis zur 3-mm-Grenze im Sommer „runterzufahren“. Empfehlenswert ist dies angesichts der Risiken keinesfalls – saisonaler Reifenwechsel beziehungsweise Räderwechsel lautet die Devise. Ein Reifenwechsel würde genau genommen bedeuten, dass die Reifen von der Felge gezogen werden – ein Räderwechsel bezeichnet hingegen den Austausch der Räder und zum Beispiel den Wechsel von Sommer- zu Winterreifen.
Reifen-Dienstleistungen.
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Zu den Reifen-DienstleistungenPerformance: Fahrverhalten leidet im Sommer unter Winterreifen.
Auch die Fahrstabilität variiert je nach Art der Reifen stark. Besonders deutlich zeigte sich dies beim Continental-Test im Fall eines schnellen Spurwechsels sowie der Spurtreue in Kurvenfahrten. Bei den hier getesteten Szenarien handelt es sich leider nicht um seltene Manöver, sondern um ernst zu nehmende Situationen, die im Straßenverkehr immer wieder auftreten. Gerade wenn das Auto stark beladen ist, etwa im Zuge von Auslieferungen, auf Geschäftsreise oder für die private Fahrt in den Urlaub, macht sich die schlechtere Fahrstabilität bereits bei kleinen Lenkbewegungen bemerkbar. Fakt ist: Der Sommerreifen performt in sämtlichen Kategorien besser als seine winterliche Konkurrenz.
Performancevergleich von Sommer- und Winterreifen bei sommerlichen Temperaturen.
Testergebnisse von Continental, eigene Darstellung.
Winterreifen im Sommer: Kraftstoffverbrauch beeinflusst?
Neben den bereits illustrierten Sicherheitsaspekten könnten auch finanzielle Abwägungen eine Rolle bei der saisonalen Bereifung spielen. Vor allem für Vielfahrer und Fuhrparkmanager ist der Spritverbrauch in der Regel von großem Interesse. Tatsächlich fällt dieser trotz der weichen Gummimischung von Winterreifen nicht signifikant höher als bei Sommerreifen aus, der Rollwiderstand ist laut Herstellern vergleichbar.
Dennoch nutzen sich Winterreifen durch die Fahrten im Sommer stärker ab. Wie viel höher der Verschleiß ausfällt, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Grundsätzlich machen hohe Temperaturen und trockene Straßen den Pneus besonders zu schaffen, sodass es gerade im Hochsommer zu stärkerem Abrieb kommen kann.
Zu guter Letzt liefern die Versicherungen ein finanzbezogenes Argument für den Reifenwechsel: Ist ein Fahrzeug im Sommer in einen Unfall verwickelt und unpassenderweise mit Winterreifen ausgestattet, kann sich dies negativ auf die Schuldfrage auswirken. Die entstandenen Schäden können dann schnell die Kosten für Reifen und Co. überschreiten.
Warum man Winterreifen nicht im Sommer fahren sollte.
Ob Zeitaufwand, Spritverbrauch und Verschleiß oder auch Kosten für Anschaffung, Montage und Lagerung: Rund um den Reifenwechsel gibt es zweifellos viele unterschiedliche Überlegungen, die in manchen Augen für- oder gegen die regelmäßige Umrüstung sprechen. Derlei Abwägungen sind zwar nachvollziehbar, werden aber definitiv vom wichtigsten Argument übertrumpft: Ein saisonaler Räderwechsel ist vor allem eine Frage der Sicherheit und sowohl die eigene als auch die der anderen Verkehrsteilnehmer sollte stets im Vordergrund stehen. Erheblich kürzere Bremswege sowie eine bessere Performance bei verschiedenen Manövern unterstreichen, dass nur eine der Jahreszeit angepasste Bereifung diesem Anspruch gerecht wird. Den saisonalen Reifenwechsel sollten Sie als Fuhrparkmanager somit stets im Blick behalten und den rechtzeitigen Wechsel für sämtliche Flottenfahrzeuge veranlassen.